Positionen

Beschlossen auf der Mitgliederversammlung am 09.03.2024 in Mainz.

1. Ausbildung attraktiver gestalten

1.1 Verbundausbildungen ermöglichen
Handwerksbetriebe sind meist Kleinstbetriebe mit ca. fünf Angestellten. Damit die Ausbildungsleistung auf mehrere Schultern verteilt werden kann, fordern wir Verbundausbildungen möglich zu machen. Mehrere Betriebe bilden zusammen einen Azubi aus. Dieser bekommt dadurch auch einen weiteren Einblick in andere Betriebsstrukturen.

1.2 Ausbildung von Menschen mit Behinderung
Mit der Perspektive auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsalltag der Gesellschaft, möchten wir die Ausbildung mit einem kleinen Gesellenbrief oder Facharbeiter ermöglichen. Damit sie nach ihren Möglichkeiten Teil des ersten Arbeitsmarktes werden, statt in Werkstätten für Menschen mit Behinderung exkludiert zu werden. Dabei sollten auch die
Betriebe unterstützt werden.

1.3 Berichtsheft digitalisieren
Auch in der Führung des Berichtsheftes wollen wir mit der Zeit gehen. Wir fordern die flächendeckende, kostenfreie Einführung einer Berichtsheftapp, die auch einen freundschaftlichen Wettbewerb unter Azubis schafft. Vergleichbar mit einer Laufapp. Das fördert außerdem die Medienkompetenz und zeigt, dass selbst die erste Bürokratie auch digital bewältigt werden kann.

1.4 Handwerk und Industrie
Während die Ausbildungszahlen des Handwerks steigen, sinken sie in der Industrie. Aber viele dann ausgebildete junge Menschen werden durch große Industriebetriebe abgeworben. Deswegen fordern wir einen Diskurs zwischen der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer über mögliche Ablösesummen oder eine finanzielle Unterstützung der
ausbildenden Betriebe.

1.5 Förderung der Handwerksausbildung
Die Ausbildung im Handwerk muss staatlich stärker gefördert werden.

1.6 Auslandsaufenthalte
In der Ausbildung ins Ausland gehen zu können, ist für junge Menschen eine spannende Perspektive und steigert die Attraktivität. Dafür muss das Erasmus+ Programm aber auch so
weiterentwickelt werden, dass kleine Betriebe finanziell unterstützt und beraten werden sowie Strukturen geschaffen werden, die einen Azubi-Austausch ermöglichen.

1.7 Ausbildungsordnungen zukunftsgerichtet aufstellen
Damit die Ausbildung tatsächlich auch für die Zukunft gut aufgestellt ist, wollen wir den Auszubildenden ein Verständnis von Verantwortung und die Möglichkeit zu differenzieren mit
an die Hand geben. Welche Auswirkungen haben einzelne Prozessschritte? Wie kann ich eine Lieferkette bewerten und warum ist es wichtig sich diese anzuschauen? Welche Umweltauswirkungen haben unterschiedliche Materialien? Das sollen nur Beispielfragen sein, für die die Antwort aber auch in der Ausbildung gelehrt werden sollte.

2. Der vermeintliche Gegensatz Ausbildung und Studium

Oft wird von einem „Wir gegen Die“ gesprochen, aber es braucht ein Miteinander, statt der Spaltung in Akademiker:innen und Handwerker:innen. Denn am Ende ist die Zusammenkunft
der Perspektiven das, was ein Gebäude errichtet.

2.1 Zusammenarbeit
Wir sehen die Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Hochschule als ein wichtiges Element an. Der „InnovationSpin“ in Lemgo zeigt, wie Handwerk, Kommune und Hochschule
zusammenarbeiten können und Auszubildenden ermöglicht Einblicke in die Lern- und Arbeitsweisen der anderen zu erhalten. Diese Interdisziplinarität sollte auf der politischen
Ebene gestärkt und gefördert werden.

2.2 Gleichberechtigte Perspektive
Für eine gleichberechtigte Perspektive von Auszubildenden und Studierenden sollte auch Ihnen der Zugang zu Stipendien ermöglicht werden, Auszubildendenwohnraum gefördert geschaffen und die Ausbildungsinfrastruktur besser gefördert werden. Dazu zählt u. A. die gute Anbindung an Berufsschulen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und gute sowie
kostenfreie Übernachtungsmöglichkeiten bei weit entferntem Blockunterricht. Aber auch die Weiterbildung zur Meister:in, wie auch der Master muss kostenfrei gestaltet werden.

3. Allgemeinbildende Schulen

3.1 Ausbildung in den Schulen vorstellen
Bei Karrieremessen in Schulen haben oft Industriebetriebe und öffentliche Stellen gute Möglichkeiten ihre Ausbildungsplätze zu bewerben. Handwerksbetriebe fallen dabei leider oft durchs Netz. Wir fordern eine solide Einbeziehung von Handwerksbetrieben in die Berufsfachmessen, eine Unterstützung für kleine Handwerksbetriebe bei der Vorstellung vor Ort und auch eine finanzielle Unterstützung, um ein solches Engagement verstärkt zu ermöglichen.

3.2 Schulfach praktisches Können
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Können beginnt nicht erst in der Schule, wird hier aber besonders geprägt. Dabei können Alltagsfähigkeiten gelehrt werden, die am Ende auch den Reparaturgedanken stärken und der Tendenz zur Wegwerfgesellschaft entgegenwirken. Aber auch für die Schüler:innen ist es ein gutes Angebot und schafft einen Ausgleich in der Schule. Sie können dadurch auch besser kennenlernen, in welchen Bereichen ihre individuellen Stärken und Schwächen liegen.

4. Berufliche Schulen

4.1 Sexismus an Schulen
Sexismus ist in unserer Gesellschaft alltäglich. Das sollte aber nicht so sein. Gerade Schulen, so auch die beruflichen Schulen sollten sichere Orte für unsere Auszubildenden, aber auch für das Lehrpersonal sein. Damit sie das tatsächlich werden können, müssen aus sexistischem Verhalten von Lehrkräften und Schüler:innen Konsequenzen gezogen werden. In beruflichen Schulen sollte verpflichtend geschultes Personal, beispielsweise ein:e Sexismus- und Gleichstellungsbeauftrage:r eingesetzt werden.


4.2 Gleichstellung der Lehrkräfte
Auch Lehrkräfte, die den Praxisunterricht gestalten sind für eine Berufsschule unerlässlich. Deshalb fordern wir die gleiche Bezahlung zwischen studierten Lehrkräften und Lehrkräften aus der Praxis. Damit zeigen wir auch nach außen, dass die gepredigte Gleichstellung zwischen akademischer und beruflicher Bildung auch im Gehalt ankommt.


4.3 Modernes Lern- und Arbeitsmaterial
Berufliche Schulen sollten so ausgestattet sein, dass Auszubildende auch Multiplikator:innen für moderne Techniken in ihrem Betrieb sein können. Wenn Auszubildende an und mit modernem Gerät ausgebildet werden, werden diese Techniken bei der eigenen Betriebsgründung vielleicht weniger als Hürde und mehr als Chance verstanden.

5. Reperaturkultur

5.1 Reparaturbonus
Der Reparaturbonus ist ein gutes Mittel, um kurzfristig Anreize zu schaffen, beispielsweise Elektrogeräte reparieren zu lassen, anstatt sie zu entsorgen und neu zu kaufen. Es macht die Reparatur grundsätzlich attraktiver. Langfristig muss die Wirtschaftlichkeit von Reparatur sichergestellt sein.


5.2 Reparatur ermöglichen
Gerade im Elektrobereich müssen auf dem Reparatur- als auch auf dem Ersatzteilmarkt faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Damit komplexe Geräte reparierbar sind, müssen sie entsprechend designed werden. Oft ist es nicht im Sinne der Industrie dies zu tun, weil sie nicht selbst die Reparaturen durchführen können. Für sie ist es lukrativer, wenn das Produkt entsorgt und neu gekauft wird.

6. Bauwende

6.1 Kreislaufwirtschaft
Mehr als 50% des deutschen Abfallaufkommens ist auf Bau- und Abbruchabfälle zurückzuführen. Anstatt das Potential zu nutzen, landen diese ursprünglich teuren Baustoffe und -produkte auf der Deponie. Wir verstehen die verbauten Materialien als Ressource, die es sich lohnt im Kreislauf zu erhalten. Ganz nach dem Prinzip des Urban Mining braucht es ein Verständnis für die einzelnen Materialien, aber auch gleichzeitig eine gewisse sortenreine Trennbarkeit. Wir wünschen uns eine rechtliche Grundlage für Sekundärbaustoffe, damit diese dann in der Praxis tatsächlich verwendet werden können. Besonders stark wollen wir das Bauen mit Nachwachsenden Rohstoffen in den Blick nehmen. Sie haben das Potential einen positiven Einfluss auf das Bauen auszuüben.


6.2 Treibhausgase
Bauen und Wohnen ist weltweit für fast 40% der CO2-Emissionen verantwortlich. Deshalb fordern wir ein Umdenken ein. Die Sanierung und der Erhalt von Gebäuden sollte gegenüber Abriss und Neubau priorisiert werden, aber auch der Betrieb muss auf die Klimaneutralität umgestellt werden. Wir fordern die energetische Sanierung des Gebäudebestandes stark zu fördern und energetische Anforderungen an den Neubau zu stellen. Das neue GEG ist ein guter Start für die klimaneutrale Umstellung der Wärmeerzeugung.

7. Integration und Zuwanderung

7.1 Handwerk als Säule
Das Handwerk ist eine wichtige Säule für die Integration von Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt. Viele Geflüchtete werden in Handwerksberufen ausgebildet, arbeiten im Handwerk und knüpfen Freundschaften. Handwerksbetriebe leisten oft zusätzliche Unterstützung beim Deutschunterricht oder um den Stoff der Berufsschule zu verstehen. Dieses Engagement verdient Wertschätzung, finanzielle Förderung und beratende Unterstützung.

7.2 Ausländerbehörden verbessern
Die Überlastung der Ausländerbehörden schüren Unsicherheit und verhindern Jobperspektiven. Viele Aufgaben bleiben liegen. Anträge haben Bearbeitungszeiten von bis zu 12 Monaten. Wird die Arbeitserlaubnis dann beispielsweise nicht verlängert, ist auch die rechtliche Unsicherheit im Betrieb groß. Hier bedarf es dringend einer Änderung.

7.3 Rassismus bekämpfen
Rassismus ist in unserer Gesellschaft leider weit verbreitet. Wir erwarten Strategien der Handwerksorganisationen, wie den Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften, um dem Abhilfe zu schaffen. Aber auch in den Berufsschulen braucht es die Sensibilisierung und Aufklärung von Lehrkräften und Schüler:innen. So können wir gemeinsam auch als Gesellschaft wachsen.

7.4 Ausbeutung verhindern
Fachkräftezuwanderung kann, auch mit Blick auf den demografischen Wandel, eine gute Hilfe zur Bewältigung des Fachkräftemangels sein. Aber es führt aktuell auch zu Lohndumping. Hier braucht es bei öffentlichen Aufträgen endlich die klare Anforderung an Betriebe mindestens nach Tarif zu zahlen und Abschläge für Gruppenunterkünfte und Ähnliches zu begrenzen.

7.5 Perspektiven schaffen
Geflüchtete, die hier ihre Ausbildung absolvieren, brauchen eine Bleibeperspektive. Das ist vor allem auch für die Ausbildungsbetriebe wichtig. Das Handwerk bildet langfristig aus, für die nächste Generation und nicht um einen kurzfristigen Fachkräftebedarf zu decken.

8. Förderungen

8.1 Kleinstbetriebe mitdenken
Die Förderkulisse in Deutschland ist oft auf Großbetriebe und die Industrie ausgerichtet. Bürokratische Prozesse und Berichtspflichten treffen Handwerksbetriebe deshalb oft besonders stark. Meistens so weit, dass sie Förderungen gar nicht beantragen. Diesem Ungleichgewicht müssen wir entgegenwirken und anfangen Kleinstbetriebe konsequent mitzudenken.

8.2 Mutterschutz für alle
Die aktuellen Regelungen von Selbständigen im Handwerk, aber auch darüber hinaus, führen leider oft dazu, dass selbständige Frauen* ihren Betrieb schließen müssen. Die Schwangerschaft führt oft zum Ausfall der Meisterin, die für die gesamte Organisation des Betriebs verantwortlich ist und im Betrieb nicht mehr mitanpacken kann. Daher braucht es die Förderung eines Betriebshelfer:innen-Systems, wie beispielsweise in der Landwirtschaft und eine solidarische Übernahme von Betriebskosten bzw. Versicherbarkeit hoher Betriebsausfälle.

8.3 Betriebsgründung durch Frauen*
Wir streben gleichermaßen von Frauen und Männern geführte Handwerksbetriebe an. Damit wir diesem Ziel schneller näherkommen, fordern wir eine gezielte Unterstützung von Frauen, die einen Betrieb gründen oder übernehmen wollen. Sowohl auf finanzieller, aber auch auf der informativen Ebene.

9. Bürokratie

9.1 Bürokratie ist wichtig
Wir haben Bürokratie, weil jede Verantwortlichkeit bis ins letzte Detail geklärt werden soll. Bürokratie entsteht, wenn Nachweise geführt werden müssen, damit man belegen kann, nichts falsch gemacht zu haben. Vor diesem Hintergrund ist Bürokratie grundsätzlich wichtig. So schützt sie Verbraucher:innen und Betriebe vor ungerechtfertigten Rechtsansprüchen. Aber es gibt auch viele Richtlinien, die nur zu mehr Unsicherheit führen und den Arbeitsbetrieb aufhalten. Hier muss Bürokratie abgebaut werden.

9.2 KMU-Tests
Um durch Gesetze den bürokratischen Aufwand nicht ins Extreme steigen zu lassen, setzen wir uns dafür ein, konkrete Tests auf die Verträglichkeit mit Kleinstunternehmen und KMU durchzuführen. Daraufhin sollten die entsprechenden Gesetzesvorlagen dann möglichst so angepasst werden, dass Ziele zwar erreicht werden können, aber der bürokratische Aufwand nicht steigt.

9.3 Komplexität abbauen
Die Komplexität von Regularien, Bescheiden, amtlichen Schreiben und Formularen sollte abnehmen. Zusätzlich sollten die Dokumentations-, Nachweis- und Meldepflichten gerade von Kleinstunternehmen reduziert werden und der Kontakt zwischen Behörden und Unternehmen digitaler gestaltet werden. Dadurch kann dann mehr Zeit in die eigentliche Arbeit fließen.